Alles schief gelaufen bei der Geburt - ABER: halb so wild!

Wie haben Sie die Geburt erlebt? War sie so, wie Sie sie sich vorgestellt und gewünscht haben?
Elternforum
Szallejh
5. Sep 2022 15:15
Alles schief gelaufen bei der Geburt - ABER: halb so wild!
Nachdem ich während der Schwangerschaft gefühlt Wochen damit verbracht habe, durch Foren zu scrollen, mich nachts mit Erfahrungsberichten wach zu halten und mir alle Horrorstories der Welt auszumalen, möchte ich nun meinen eigenen Erfahrungsbericht zur Geburt schreiben.
Es wird ein längerer Beitrag, also nichts für Lesefaule... ;)

Im Mai habe ich meinen Sohn zur Welt gebracht. Es gab einige Komplikationen und Schwierigkeiten während und nach der Geburt - letztendlich ist er aber ein putzmunterer Bub, gerade mitten in einem anstrengenden Schub und natürlich das süßeste Baby der Welt.

Aber ganz von vorne.
In meinem Umkreis waren gerade alle schwanger, als ich es auch wurde. Somit habe ich Geburt nach Geburt miterlebt, war von Babys umgeben während mein Bauch selbst noch dicker wurde, und ich war so ungeduldig! Ich wollte endlich auch mein Kind haben. Der ET rückte näher, und es tat sich nichts. Ewig lange habe ich gegoogelt und gelesen, wie sich Wehen äußern, wie sie sich anfühlen, wie man sie fördern kann. Waren die paar Tröpfchen Pipi vielleicht doch schon ein Blasensprung? Das Kind ist heute weniger aktiv. Geht es endlich los?
Immer hieß es, Wehen fühlen sich an wie Regelschmerzen, nur stärker. Schön. Aber was macht man, wenn man wie ich noch nie Schmerzen bei der Periode hatte? Ist das jetzt gut für mich, oder schlecht?
Ich habe mich selbst absolut KIRRE gemacht. War spazieren, habe Fenster geputzt, alles in der Hoffnung, dass es doch endlich los geht. Und dabei war ich noch nicht mal am ET.

Eine Woche vor dem ET ist mir eingefallen, dass meine Hebamme ja wehenfördernde Akupunktur anbietet. Also schnell mit ihr einen Termin gemacht, Samstag Abend noch ins Krankenhaus. Meine Frauenärztin hatte übrigens in den 2 Wochen vor ET Urlaub und hat mich nicht an einen anderen Arzt verwiesen. Es hieß nur "gehen Sie am ET ins Krankenhaus zur Kontrolle, wenn das Kind bis dahin nicht da ist". Absolute Unverschämtheit weiß ich mittlerweile, denn grade so kurz vor der Geburt können doch einige Probleme auftreten, weswegen eine wöchentliche Überwachung schon sinnvoll ist.
Die Hebamme hat sich auch darüber aufgeregt und nach der Akupunktur, die übrigens sehr angenehm war, noch ein CTG und eine Tastuntersuchung gemacht. Siehe da: auf dem CTG schon regelmäßige Wehen! Wir waren beide total überrascht, denn natürlich habe ich nichts davon gespürt. Und als sie dann abgetastet hat, war der Befund bereits geburtsreif. Muttermund mehrere cm offen, Gebärmutterhals verstrichen. Sie noch: "es würde mich nicht wundern, wenn Du heute Nacht wieder kommst weil die Fruchtblase geplatzt ist."

Natürlich bin ich dann voller Erwartung nach Hause... und am nächsten Morgen ganz enttäuscht aufgewacht, weil es mir blendend ging. Keine Wehen, gar nichts.
Mein Mann hat sich an dem Tag noch die Haare schneiden lassen, und ich war ganz heiß baden. Ein wenig sauer war ich, denn ich hatte eine Wette offen, dass ich 200€ bekomme, wenn mein Kind an diesem Tag zur Welt kommt (es war ein besonderes Datum für den Gegenpart der Wette). Es passierte aber gar nichts.
Dazu muss ich vielleicht noch sagen, dass ich schon die gesamte Schwangerschaft über immer wieder einen harten Bauch hatte, sprich Übungswehen. Diese waren allerdings zu keiner Zeit schmerzhaft für mich, kein bisschen. Und auch an diesem Sonntag hatte ich immer wieder einen harten Bauch (der sich übrigens auch nicht gesenkt hat).
Ich also ganz enttäuscht ins Bett...

... und um Punkt Mitternacht platzte die Fruchtblase. Einfach so.
Ich wurde wach weil ich diesen Gedanken im Kopf hatte "Es platscht gleich", sprang aus dem Bett, und schon lief es. Mit zusammengekniffenen Beinen bin ich noch ins Bad, um nicht alles nass zu machen. Das war schon filmreif, was da an Fruchtwasser raus kam. Aber mir ging es noch blendend! Immer noch keine Wehen oder sonstiges.
Also habe ich grinsend meinen Mann geweckt und meine Mama angerufen. Da wir uns auf eine lange Geburt einstellten (sagt man ja bei Erstgebärenden, dass die Geburt durchaus 15 Stunden oder länger gehen kann), haben wir Snacks und Getränke eingepackt.
Plötzlich hatte ich ganz schlimme Rückenschmerzen. Wirklich so schlimm, dass ich mich am Ofen festhalten musste. Mir war sofort klar, dass das eine Wehe ist. Nur hatte ich nie damit gerechnet, dass es so plötzlich und direkt so schlimm kommen würde.
Wir sind also zum Auto geeilt (so gut das eben ging, denn die Wehen kamen alle 3 Minuten), und kurz vor dem Auto hatte ich das Gefühl, mir gleich in die Hose zu machen, so schlimm Stuhldrang. Noch musste ich nicht pressen, aber ich nahm mir vor, im Krankenhaus noch schnell auf Toilette zu gehen. Ich wollte ohnehin einen Einlauf vor der Geburt.

Mit Ach und Krach und vielen Veratmungspausen haben wir es zum Empfang geschafft. Wegen Corona musste ich von dort aus alleine weiter, und meine Hebamme, die gerade in dieser Nacht Schicht hatte, nahm ich in Empfang. Sie bat mich ganz gelassen, auf die Liege zu gehen, damit wir alles untersuchen können. Im Kopf hatte ich alles schon soweit - erst mal CTG, dann PDA und dann ein paar Stunden Wehen, bis es wirklich los geht.

Wieder Pustekuchen. Sobald sie vor mir saß, wurde sie kurz still und schickte mich dann in den Kreißsaal. Es ging los. Sofort. Muttermund war komplett offen.
Keine Zeit für einen Einlauf. Keine Zeit für PDA. Jetzt hatte ich auch richtig Pressdrang, denn natürlich war der Druck kein Stuhl, sondern die Austreibungsphase.
Die Eröffnungsphase habe ich also überhaupt nicht mitbekommen. Keine Wehen gespürt, gar nichts. Natürlich muss ich Wehen gehabt haben, sonst hätte sich der Muttermund nicht geöffnet. Aber wo waren die?

Naja. Alle haben sich also darauf eingestellt, dass das Kind in spätestens einer Stunde da ist. Immerhin geht die letzte Phase in der Regel nur 30-40 Minuten!
Ja. Die Wehen, die so plötzlich angefangen haben, wurden auch plötzlich wieder schwächer. Wehentropf und Druck auf den Bauch halfen nicht. Ich wurde von Position zu Position gejagt, sitzen, liegen, eine Seite, andere Seite, Stehen, Hocker, wieder von vorne. Hin und her, pressen, veratmen. Veratmen ging übrigens gar nicht. Ich konnte nicht nicht pressen, so stark war der Drang (oder mein Wille zu schwach).

Nach zwei Stunden vergeblichem Pressen (dem Baby ging es übrigens blendend, er war tiefenentspannt), schrie ich irgendwann nach Kaiserschnitt. Ich war am Ende und konnte (und wollte) nicht mehr. Nicht, weil es so weh getan hätte. Natürlich tut eine Geburt weh, aber der Schmerz war total aushaltbar. Es war einfach zu anstrengend für mich. Sie haben die Stationsärztin gerufen und währenddessen immer noch versucht, mich zum stärkeren Pressen zu animieren. Es wollte sich einfach nichts tun.
Die Ärztin sagte dann zu mir, dass sie einen Kaiserschnitt machen kann, es aber nicht möchte weil ich so jung bin. Lieber würde sie eine Saugglocke ausprobieren.
Dem hab ich dann zugestimmt, ohne zu wissen, was auf mich zukommt. Leute, ich kann euch sagen, so eine Saugglocke ist nicht schön. Es fühlt sich total eklig an, wenn sie am Kopf des Kindes befestigt wird. Natürlich mussten sie dann auch noch schneiden. Dazu kann ich sagen: Ja, ich habe den Schnitt gespürt. Nein, es hat mich rein gar nicht gejuckt. Im Vergleich zu der Intensität einer Geburt ist so ein Schnitt, auch ohne PDA, gar nichts mehr. Also keine Angst vor einem Dammschnitt, Mädels. Ihr seid so unter Adrenalin...

Am Ende waren so viele Hände an meiner Geburt beteiligt, dass es von außen richtig komisch ausgesehen haben muss. Ich am Pressen, mein Mann am Beten, die Hebamme und Hilfsärztin drückten auf meinen Bauch und von unten zog die Ärztin an der Saugglocke.
Was soll ich sagen... nach dreieinhalb Stunden Pressen war mein Kleiner dann endlich da. Und wegen dem Schnitt und dazu mehrerer Risse musste ich danach noch fast eine Stunde genäht werden, während mein Mann den Bub betrachtete. Das Nähen war beinahe schlimmer als die Geburt... aber vor allem deswegen, weil ich nicht mehr warten wollte. Mein Kind war doch jetzt auf der Welt, also wollte ich es auch halten!

Naja. Ich hatte so vieles geplant. Wollte PDA, wollte Einlauf, dies und das. Geklappt hat nichts davon.
Mein Kind ist aber trotzdem gesund, und mir geht es mittlerweile, dreieinhalb Monate später, auch wieder blendend. Ich will nicht schönreden, dass Geburtsverletzungen eklig sind und lange brauchen bis sie verheilt sind. Aber sie verheilen, und das ist die Hauptsache.
Noch während ich im Kreißsaal lag, endlich mein Kind auf meiner Brust, habe ich gesagt: "also wir bekommen definitiv ein zweites Kind".

Meine Geburt war nicht schön. Vielleicht war sie auch schrecklich. Traumatisiert hat sie mich trotzdem nicht, und die nächste wird entweder besser - oder eben nicht. Es kommt wie es kommt, und es hilft nicht, sich vorher so viele Gedanken deswegen zu machen.

Habt keine Angst vor der Geburt. Das Kind kommt so oder so, und ihr steht das durch. Mit oder ohne PDA. Natürlich oder assistiert. Es wird immer anders kommen als geplant... und es wird immer weh tun. Aber ihr seid auch schon aufs Knie gefallen und wieder aufgestanden. Ihr habt euch schon in den Finger geschnitten und es ist wieder verheilt. Vielleicht habt irh euch auch schon was gebrochen oder so?

Die Hauptsache ist: alles geht vorbei. Ein Kind zu haben ist wunderschön und anstrengend und fordernd und beängstigend. Hauptsächlich aber wunderschön. Freut euch darauf.

Ihr schafft das ♥
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